Berlin, Berlin.

Dieses Jahr blieb es also an mir allein hängen, die Ehre des RV Altona in Berlin angemessen zu verteidigen. So ganz wunschgemäß ist mir das allerdings nicht gelungen.

Der für meine Verhältnisse unerhörte Schnitt von über 38 km/h im letzten Jahr hatte mich in den Startblock B direkt vor dem Filmhaus am Potsdamer Platz katapultiert. Hier galt es, die erste taktische Entscheidung zu treffen: Ganz vorn im Block würden ehrgeizige Irre starten mit dem Ziel, Block A zu durchdringen und unter die ersten 100 zu kommen. Von denen wollte ich mich auf keinen Fall schreddern lassen. Ganz hinten würde die Gefahr bestehen, den Anschluss ans Feld zu verlieren und ewig auf Unterstützung durch Block C warten zu müssen. Also ordnete ich mich im hinteren Viertel des Blocks ein, was sich als vernünftig herausstellte.

Los gings pünktlich um 10:33 bei strahlender Sonne und angenehmer Temperatur. Kein Wölkchen am Himmel. Man rumpelte in flottem Tempo über Berlins arm-aber-sexy-Straßen. Nach 12 Kilometern erreichten wir die sanften Hügel des Grunewalds, und ab hier wurde auch die Straße deutlich besser. Aber ich merkte schon, dass ich irgendwie nicht richtig fit war, obwohl ich gut geschlafen und gegessen hatte. Ich ließ mich an den (für Hamburger Verhältnisse lächerlichen) Steigungen zurückfallen und verließ den Wald zwischen etlichen Fahrern aus Block C, die inzwischen aufgeholt hatten.

Jetzt kam das, was ich schon letztes Jahr gemerkt hatte und was für Flachlandrennen wohl typisch ist: Wenn man nicht höllisch aufpasst, verliert man den Anschluss an große Fahrerfelder und strampelt sich in einem kleinen Grüppchen ab, das über Dutzende Kilometer versucht, sich an den knapp voraus in der Sonne glitzernden Peloton heranzukreiseln. So ungefähr ging es von Kilometer 40 bis 60. Dann fing mich eine ordentliche Gruppe ein, und ich konzentrierte mich darauf, meine Position im vorderen Drittel zu halten.

Bald näherte sich meine „Angststrecke,“ nämlich 12km schnurgerade autobahnähnliche Landstraße nach Norden zurück nach Berlin. Im letzten Jahr hatte ich mich hier in einer kleinen Truppe verausgabt, die nicht wusste, wie man bei Seitenwind fährt: Alle klebten am rechten Fahrbahnrand, und meine Versuche, das Feld von links aus zu führen, wurden nicht fortgesetzt. Dieses Mal war meine Kondition schon vorher im Keller, meine Gruppe war an der schlecht organisierten Fahrbahntrennung vor der Verpflegungsstelle auseinandergeflogen, und ich wusste: Wenn das hier schiefgeht, werden die letzten 40 Kilometer zur Quälerei. Zum Glück war vor mir ein sehr großes Feld nach der Auffahrt auf die Landstraße noch nicht recht in Fahrt gekommen. Ich wuselte mich in dessen Mitte und ließ mich ohne jede Anstrengung mit 38-42 km/h in die Stadt zurück treiben.

Die zwanzig Minuten Erholung nützten allerdings nichts: Beim Einbiegen auf das Tempelhofer Feld bekam ich in der linken Wade einen leichten, aber dauerhaften Krampf, der mich ziemlich ausbremste. Taktische Sprints gingen nicht mehr, und so musste ich auf den letzten 20 Kilometern Schlängelei bis zum großen Stern jede noch so gemütlich daherrollende Gruppe ziehen lassen. Lästigerweise zog auch noch der inzwischen aufgefrischte West-Gegenwind durch die Straßenschluchten. Mit ein paar anderen versprengten Losern zockelte ich offenbar allein fernab größerer Pulks durch die Stadt, was man daran merkte, dass vor und hinter uns großzügig Trauben von Fußgängern die Straße überqueren durften. Endlich kam die Zielgerade von der Siegessäule Richtung Brandenburger Tor, und mit letzter Kraft und Rückenwind erreichte ich das Ziel mit knapp über 37er Schnitt.

Fazit: Ich fahre Rennen zum Spaß. Und natürlich gibt es in jedem Rennen eine Phase, in der man sich schwört, nie wieder bei so einem Mist mitzumachen. Aber dieses Mal war sie zu lang und zu intensiv und hat mir den Spaß ziemlich verdorben. Woran es lag, weiß ich nicht. Irgendwie Flasche leer. Beim nächsten Mal wirds wieder besser!

Nach dem Rennen Schreck und Erleichterung zugleich: Ich hatte mein Notwerkzeug nicht eingesteckt! Bisher nie vergessen und nie gebraucht. Das wäre ja eine schöne erste Gelegnheit geworden. Aber offenbar unterliegt Murphys Gesetz sich selbst und hat sich dieses Mal quasi neutralisiert.

Hire kann man sehen, wie ich mich gegenüber letztem Jahr geschlagen habe. Nach dem D-Zug Gleichstand, und am Ende fast vier Minuten verloren.

Zeitdifferenz gegenüber letztem Jahr in Minuten