ParisBrestParis in 89:50 – startgeld voll genutzt!

mein zweites ParisBrestParis.
meine vorbereitung dazu war erfolgreich, nach dem 600er ab Freiburg/Breisgau fühlte ich mich allem gewappnet. meine startnummer M 086 passte, dachte ich doch, die 1200 km in maximal 86 stunden zu schaffen….
allerdings war ich dann fast 2 monate durch erkrankungen wie paralysiert, noch 14 tage vor dem start in Frankreich musste ich eine gemütliche 3-tage-fahrt mit den Old Boys Bergedorf am dritten tag abbrechen. seitdem war meine laune im keller.

aber: startgeld bezahlt, finisher-trikot bestellt, extra neue laufräder, mietwagen, es muß einfach irgendwie gehen. ging ja noch immer.
dann am samstag vor dem start: null lust zum fahren, wackelpudding-beine, angst vor der eigenen courage.
oder nur altersweisheit?
sonntag morgen vor dem start abends nehme ich mir vor, gemächlich anzufangen, vielleicht die ersten 200 km zum einfahren, der wage gedanke, falls ich mich bei km 300 noch gut fühle, geht auch der rest.
ansonsten: abruch, hotel, 3-gänge-menü, am nächsten tag zurück pedalieren.

sonntag: start 18:45, es geht in die laue nacht, um mich herum wird gefahren, als gäbe es kein morgen. der kam für mich nach 220 km in Villaines la Juhel, erste kontrolle, die ersten 150 km waren anstrengend, jetzt lief es, mein stimmung besserte sich. so verging der tag, bestes wetter, trocken, nicht zu warm, nach einer weiteren nacht querte ich morgens die Monts d´ Arrée, mit gut 330 m die höchste erhebung der gesamten strecke (die restlichen 11 000 hm verteilen sich auf die vielen kleinen hügelchen, die einem das radfahren in der Bretagne so versüßen…). nach schöner abfahrt ins hübsche örtchen Sizun endlich eine morgendliche pause im café. die restlichen 50 km nach Brest vergehen wie im flug, ich unterhalte mich brestens gelaunt mit meinem mitfahrer; auf der brücke über die fjordartige bucht von Brest fotografieren wir uns gegenseitig. letzesmal vor vier jahren herrschte hier dicke suppe.diesmal nur ein kurzer boxenstop in Brest, die stadt ist mir heute zu laut.

bisher habe ich meine fahrtzeiten und pausen, so wie geplant, in etwa eingehalten, viel geschlafen allerdings nicht, dazu bin ich zu langsam unterwegs. ich bin allerdings auch nicht übermässig müde. trotzdem überarbeite ich meine zeitkalkulation, schließlich liegen noch 40-45 stunden vor mir. auch der neue plan hält, ich sehe zu, dass ich die kontrollen schnell passiere, lieber im freien kurz schlafe und in kleinen bistros speise.
am dritten tag nachmittags habe ich dreiviertel der strecke geschafft; ein erneuter check meiner zeitkalkulation auf dem mittlerweile ziemlich unübersichtlichen roadsheet lässt mich erstarren, ich habe seit geraumer zeit offenbar eine komplette etappe mit knapp 80 km übersehen. macht zusätzlich 4 stunden fahren, plus 1 stunde für kurze pausen und versorgung mit dem nötigsten.
schluck. aus einer eigentlich entspannten tour wird plötzlich ein lauf gegen die uhr. der neue zeitplan lässt keinen schlaf mehr zu und der fehlt sowieso schon, wie eigentlich fast immer…
mir gehen die immer gleichen gedanken durch den kopf, aufstecken, weiter, aufstecken, versuchen.
versuchen. konstant fahren, kontrolle, wasser fassen, rad checken, weiter.
der neue zeitplan hält, kalkulatorisch bleiben immer 10-20 minuten luft zum finish, nicht mehr 86 stunden, sondern gerade eben unter 90 ist der neue arbeitstitel. sich nur nicht selbst verückt machen; ich habe vor zwei jahren bei LondonEdinburghLondon in ähnlicher zwangslage zu früh aufgesteckt, das passiert mir nicht wieder. und 91 stunden würden mich auch nicht unglücklich machen, blechmedaillen sind eh irgendwann sondermüll. und nach Paris muß ich ja sowieso….

der brevet wird zum rennen, davon hatte ich mich eigentlich dies jahr in Göttingen verabschiedet. so what.
und: meine zeiteinteilung  stimmt in jeder folgenden etappe. viel geholfen hat dabei auch die unglaubliche hilfsbereitschaft der Bretonen, ganze familien und gruppen von dorfnachbarn sind tag und nacht an der strecke, feuern einen an, wünschen viel glück und stellen essen, trinken, sogar schlafmöglichkeiten zur verfügung. seit generationen (wie sagte mir eine französin: es ist wie karneval, nur besser).

ab der morgendämmerung dann zeitweilig heftiger regen, egal, aber mit 70 km downhill nicht gerade gemütlich, die veranstalter haben auf der letzten etappe noch ein paar kurze, aber nach 1100 km in den beinen doch recht knackige rampen in den wäldern von Ramboulet eingebaut.
20 km vorm ziel, ich fahre über schlammige wirtschaftswege, ein schleicher im hinterrad, das passt nun gar nicht. cool bleiben, das habe ich nicht verdient, denke ich, nach über 250 km fahren im (rosa)roten bereich. zum glück taucht nach zögerlichem weiterfahren ein supportfahrzeug auf, 9 bar aus der standpumpe halten bis ins ziel, das velodrom von Montigny le Bretonneux, immerhin 10 min blieben bis kontrollschluß. wie gehofft.
geschafft: finish auf den letzten drücker, ich fasse es eigentlich heute noch nicht.
als ich nach dem abgeben meiner brevet-karte (und zwei wohlverdienten bierchen) mit hohlem blick (da war ich bei weitem nicht der einzige, es sah ein bisschen aus wie die außerordentliche jahresvoll-versammlung radelnder zombies), endlich beschloss, das es angebracht wäre, nun mal ein bett anzupeilen, war mein hinterrad endgültig platt.

fazit. trotz so viel glück: es war wohl mein letztes PBP. und ich bin kein wirklicher wiederholungstäter.
diese veranstaltung scheint mir trotz des hohen symbolwertes seine besten zeiten gehabt zu haben. sie ist mittlerweile wohl auch mit 6500 teilnehmern doch zu groß, obwohl, ein großes dankeschön an all die opferbereiten helfer, eigentlich ist alles gut organisiert. selbst veteranen aus, denke ich, allen sportvereinen der region sind mobilisiert worden. chapeau. und nirgendwo sonst in der welt gibt es so ein international besetztes treffen von randonneurs mondiaux, das ist großartig.

aber: das reglement hat durch das zulassen von privaten supportern mit ihren begleitfahrzeugen in den kontrollorten einen zwei-klassen-brevet geschaffen, der dadurch in meinen augen nicht mehr so viel mit dem ursprünglichen gedanken eines brevets zu tun hat, nämlich allein aus eigener kraft und vermögen eine anspruchsvolle strecke in vorgegebener zeit zu bewältigen. oder eben nicht.
von den 90 stunden bin ich 57 gefahren, habe max. 5 stunden geschlafen, die restlichen 28 vergingen mit kurzen pausen, essen, teils langen wegen in den kontrollen, dem anstehen bei kontrollen, duschen, etc. wenn einem davon einiges abgenommen wird von persönlichen helfern, so ist dass ungemein vorteilhaft, mal abgesehen von der aussicht auf frische sportkleidung, ein lieblinggsessen….. mentale betreuung nicht zu vergessen.
genug lamentiert.
es war natürlich einfach fantastisch!

……dennoch: ich werde mich wohl lieber an den kleinen superbrevets versuchen.
oder mal wieder angeln. denn nachts beissen die fische ja wohl am besten, und ruhe und gelassenheit braucht man ja auch……………

le parcours
le parcours
start und ziel: das velodrôme national in Montigny le Bretonneux
start und ziel: das velodrôme national in Montigny le Bretonneux
kontrolle in Villaines la Juhel
kontrolle in Villaines la Juhel
seit stunden schon kommen die ersten rückkehrer mir entgegen - hier auf der höhe der Monts d´ Arrée
seit stunden schon kommen die ersten rückkehrer mir entgegen – hier auf der höhe der Monts d´ Arrée
mein lieblingscafé in Sizun
mein lieblingscafé in Sizun
die brücke vor Brest
die brücke vor Brest
kontrolle in Brest
kontrolle in Brest
stützpunkt im dorf
stützpunkt im dorf
postalischer dank aus aller welt
postalischer dank aus aller welt
die strecke ist mannigfaltig geschmückt
die strecke ist mannigfaltig geschmückt
einer von 1000 kreiseln
einer von 1000 kreiseln
bon courage
bon courage
die welt ist bunt
die welt ist bunt
hauptsache zwei räder
hauptsache zwei räder
bike down im ziel
bike down im ziel