Tøse Runde 2013 in Køge (Dänemark)

Frauenrennen mit traumhaftem Wetter

Seit über 20 Jahren wird Køge, ein kleines Hafenstädtchen 30 Km südlich von Kopenhagen, am 1. Samstag in Juni von tausenden RadfahrerINNEN überrollt. Ab 7 Uhr morgens schwingen sich bis zu 6000 Radlerinnen auf ihr Rad und fahren die 112 Km lange Strecke der Tøse Runde (übersetzt: Mädels Runde). Dieses Jahr hatte ich mich mit Tina und Ilona angemeldet, aber auf Anraten ihres Arztes musste Tina 2 Wochen vorher abgesagen und bin ich mit Ilona und ihrem Mann Achim nach Dänemark gefahren.

Die Vorbereitung

Tagelang habe ich die Wetterberichte studiert, vom Norweger, über dem Holländer und den vielen Deutschen bis hin zur dänischen Wetterdienst. Die Zahlen änderten sich ständig von 14 Grad und bewölkt mit Schauern (Google Übersetzer nennt sie Regenduschen) oder 20 Grad mit Sonnenschein. Im letzten Jahr hatten wir beim Zelten nachts nur 5 Grad und tagsüber war es zwar etwas wärmer, aber es gab ein paar Regenschauern kurz vor dem Start und viel Wind, vor allem auf dem letzten Teil der Strecke. Weil ich morgens durchgefroren und kaum geschlafen hatte, war ich so fertig, dass ich eine warme Dusche bevorzugt haben und nicht angetreten bin. Als Selbständige wollte ich ausserdem keine Erkältung riskieren. Aber dieses Jahr wollte ich nicht nochmal kneifen. Wir hatten vorher überlegt eine Hütte statt Zelt zu nehmen, aber wir waren wohl nicht die einzigen und dadurch waren alle Hütten ausgebucht. Also doch noch schnell ein Zelt organisiert (herzlichen Dank an Michael und Petra!). Dieses Jahr haben wir uns auch für einen anderen Campingplatz entschieden, nämlich für Vallø Camping. Dieser hat mehr Bäume (sprich weniger Wind) und hat, sollte es wieder kalt werden, beheizte Aufenthaltsräume.

Die Anreise

Am Freitag Nachmittag ging die Reise los. Traumhaftes Wetter bei 21 Grad. Achim holte mich aus Altona ab. Wir quälten uns langsam durch die volle Stadt, um Ilona von der Arbeit in Wellingsbüttel abzuholen. Kurz nach 16 Uhr war es soweit…. Wir konnten Hamburg hinter uns lassen und Achim musste richtig aufs Gas drücken, da der Campingplatz laut Website um 20 Uhr die Pforten zu machen sollte. Es war ein Race gegen die Uhr, aber um 5 vor 8 abends standen wir vor der Rezeption. Wir hatten es geschafft!

Ankunft, Übernachtung, Aufstehen

Nach dem wir uns einen Platz ausgesucht, ging es ans Zelt aufbauen. dabei haben wir gemerkt: ein fremdes und ein neues Zelt aufzubauen hat so seine Tücken. Wir haben bestimmt 1 Stunde gebraucht, um die beiden Zelten sicher und wetterfest aufzubauen. Ich hätte das gerne als Aussenstehende liegend von anderem aus Zelt aus heimlich beobachtet…. Danach haben wir an der Feuerstelle was gegessen und sind relativ früh ins Bett gegangen. Nach einer kurzen Nacht mit vielen Aufwachmomenten (feierende Jugendlichen, Rettungswagen, Feuerwerk oder Hafengeräusche, Krähen) haben wir, soweit die Aufregung es zuließ, gefrühstückt. Die Sonne wärmte schon und um 7:30 Uhr haben wir uns auf dem Weg zum Rathaus (Entfernung 1,5 Km) gemacht. Hier lagen unsere Startunterlagen und nachdem wir den Transponder am Rad und Startnummer am Trikot befestigt hatten, ging es zum Start am Hafen (Entfernung 100 m). Da wir noch eine halbe Stunde Zeit hatten, haben wir noch Kaffee und Tee getrunken. Das ging morgens nicht, weil Achim entdecke, dass der Topf zum Wasserkochen noch in Hamburg war. Kurz vor dem Start habe ich Achim meine Arm- und Knielinge in die Hand gedrückt. Um 8 Uhr war das Wetter so wie Ilona und Tina es mir mehrmals vorgeschwärmt hatten. Bei der Tøse Runde ist das Wetter immer gut. Sonne pur und ein leichtes Lüftchen.

Das Rennen

Am Start waren 3 Bahnen eingerichtet und alle 2 Minuten starteten 60 Teilnehmerinnen. Auf einem riesigen digitalen Tafel waren die Startzeiten angegeben, so dass wir uns rechtzeitig vorne einordnen konnten. Die Anspannung stieg, die Knien zitterten leicht und um 8:18 Uhr ging es denn pünktlich los. Wir fuhren gemütlich in der Gruppe aus Køge raus und wie auf der ganzen Stecke waren alle Kreuzungen von Polizisten oder Helfern abgesperrt. Nachdem wir den Campingplatz rechts hinter uns gelassen hatte, bogen wir rechts von der Hauptstrasse ab, über wundervollen Alleen in Richtung Vallø Slot. Dieses Schloss stammt aus dem 15. Jahrhundert und ist von Wasser umgeben. Vor dem Schloss stehen ein paar alte Häuser und beim Durchfahren des Dorf wahnst du dich plötzlich in Roubaix. Die Schloßstraße besteht nämlich nur aus Kopfsteinpflaster. Ich hörte das Schlossgespenst rufen: „In die Pedale treten…. über die Kasseien musst du schweben… sowie die Profis in Flandern und Nord-Frankreich im Frühjahr“. Gesagt getan, aber dabei musste ich echt aufpassen, weil die anderen Mädels diese Stimme wohl nicht gehört hatten und das Tempo um mich herum arg schnell runter ging. Bloß kein Auffahrunfall verursachen… Danach ging es weiter nach Kongsted, wo die erste Verpflegungsstelle (Km 33) war. Hier haben wir nur kurz gehalten: etwas getrunken, Banane gegessen und schnell wieder weiter. Und jiha…. erneut Hügel… auf und ab…. ich hatte meinen Spaß als Holländer…. ein Hügel habe ich sogar hoch geschafft ohne in die Pedale zu treten. Mit der Geschwindigkeit aus der Abfahrt fuhr ich einfach den nächsten Hügel hinauf. Ein echt cooles Gefühl! Die Stadt Faxe haben wir links lassen und unser nächstes Ziel war jetzt Faxe Ladeplads, wo wir das erste Mal wieder auf die Ostsee trafen. Hier haben wir kurz gehalten, den Ausblick genossen und ein Erinnerungsfoto gemacht. Das 2. Depot bei Spjellerup (62 Km) war nicht mehr weit und dort haben wir ausgedehnt pausiert. Es gab leckere Brote und Brötchen, 4 Getränkesorten, Obst und alles was das Sportlerherz begehrt. Wir haben auf den Treppenstufen der Schule gesessen, was gegessen, ein bisschen gequatscht, die Seele baumeln lassen und anderen Radfahrerinnen beobachtet. Von jung bis alt (20% der Frauen war über 60 Jahre alt), schnittige Rennradfahrerinnen bis hin zu Müttern und ihre Töchtern, die sich einen schönen Tag zusammen machen bis hin zu singenden Radsportgruppen. Auch was die Kleidung anging, war alles vertreten. Die meisten trugen bei dem schönen Wetter (23 Grad) natürlich kurz: entweder Tops oder Radshirts. Manche hatten Angst für einen Wetterumschwung und trauten sich nicht was auszuziehen und fuhren unbeirrt in ihren Regenjacken weiter. Eine Fahrerin war sogar komplett bedeckt. Ich habe noch gedacht „Vielleicht hat die eine Sonnenallergie“, aber es war wahrscheinlich die Radfahrerin aus der Türkei, die aus religiösen Gründen so gekleidet war. Manche war es auch viel zu warm und fuhren freizügig im BH durch die Gegend. Was die Männer am Straßenrand auf ihren Klappstühlen mit Bier in der Hand natürlich am liebsten sahen…
Eine Frau fuhr komplett in pink: der Rennradrahmen war pink, das Lenkerband, die Reifen, ihre Klamotten, ihr Helm, die Felgen, also echt alles. Und auch alle Fahrradtypen war vertreten: Rennräder, Trekkingräder, Fitness Bikes, Fixies, Single-Speed, aber auch viele Hollandräder bzw. normale Räder. Flip-Flops an den Füßen, bunter Helmschmuck, Körbchen vorne, Körbchen hinten und alles für den Notfall dabei. Respekt. Ich möchte ungern 112 Km mit einem normalen Rad fahren.
Kurz nach Spjellerup habe ich mich von meiner Mitfahrerin Ilona verabschiedet. Aus gesundheitlichen Gründen hatte sie nicht so trainieren können wie gewollt und deshalb haben wir ab da beide unser eigenes Tempo gefahren. Ich habe mich hinter 2 Mädels geklemmt, die mich überholten und bin zuerst mit einem 30er Schnitt hinter denen (oder soll ich Däneninnen sagen) weitergefahren. Im Windschatten ging das prima bis sie denn das Tempo auf 32 Km erhöhten und ich nicht mehr mithalten konnte. Ab da bin ich größtenteils alleine gefahren. Das 3. Depot habe ich links oder rechts liegen lassen. Ehrlich gesagt: ich habe es nicht wirklich wahrgenommen. Das 4. und letzte Depot (12 Km vorm Ziel) hat übrigens die schönste Lage. Es liegt direkt an der Küste. Du weißt es ist nicht mehr weit und du fährst vom Strandweg (Strandvejen) gerade aus auf die Ostsee zu. Hier habe ich noch meine Wasserflasche aufgefüllt, ein bisschen Obst gegessen und bin schnell wieder weiter gefahren. Auf den letzten 7 Kilometer gab es nur noch Gegenwind, aber das war egal. Køge war in greifbarer Nähe und das Ziel war fast erreicht. Ich hatte gedacht, dass ich nach der Zielüberquerung wieder heulen musste wie bei den Cyclassics, aber das war doch nicht der Fall. So tief war ich denn doch nicht gegangen.
Nach 5 Stunden und 50 Minuten (inkl. Pausen) war ich froh im Ziel zu sein. Der Moderator erzählt den ganzen Tag lang den Zuschauern wer gerade ins Ziel gekommen ist und so hörte ich meinen Nachnamen Riemersma. Angemeldet waren dieses Jahr neben 4700 Teilnehmerinnen aus Dänemark 55 Norwegerinnen, 22 aus Schweden, 5 aus Deutschland, 4 aus Holland sowie 1 aus den USA und wie schon erwähnt 1 aus der Türkei.
Achim wartete im Zielbereich am Hafen und weil ich zum Schluss so schnell fuhr, hatte er mich am Ziel verpasst. Der erste Hunger nach der Race habe ich natürlich mit einem orginal dänischen Pølser gestillt. Zusammen mit Achim habe ich dann auf Ilona gewartet. Sie hatte die beiden letzten Depots links liegen lassen und kam ca. 45 Minuten später ins Ziel. Auch sie war das letzte Stück relativ schnell gefahren. Sie finishte unter den besten 50% und bekam also nicht, wie vorab befürchtet, den Blumenstrauß für den letzten Platz. Die letzte Fahrerin hat insgesamt 10 Stunden gebraucht.

Nach dem Rennen

Nach dem Rennen ging es zurück zum Campingplatz. Dort war der Kühlschrank voll: Achim hatte in der Zwischenzeit eingekauft. Während wir duschten und uns ein wenig von den Strapazen erholten, hat Achim für uns gekocht: Steaks und Hähnchenfleisch mit gemischtem Salat und Brot vom Grill. Nach dem Essen haben wir schräg gegenüber vom Campingplatz Softeis gegessen und einen Strandspaziergang gemacht. Ein- bzw. Schlafproblemen hatten wir diese Nacht nicht. Der Wetterumschwung kam zum Glück erst in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Es gab nachts einen Regenschauer, aber wir haben kaum was mitbekommen, weil wir tief und fest geschlafen haben. Als ich geweckt wurde, war es windig und nur 12 Grad. Zum Glück hatte Achim am Vortag unser Heißwasser-kochen-ohne-Topf-Problem gelöst. Er hatte auf einem privaten Flohmarktstand für kleines Geld einen Wasserkessel ergattert und so unser Kaffee am Morgen gerettet. Weil es so kalt war, haben wir ziemlich schnell gefrühstückt. Beim Abbau der Zelten war es trocken, so dass wir in aller Ruhe alles einpacken konnten. Auf der Rückfahrt mussten wir noch mitten auf der Brücke über den Großen Belt halten, da ein Seil um den Fahrrädern nicht richtig festgezogen war und die Räder sich gelöst hatten. Am späten Nachmittag waren dann wieder in Hamburg-Altona.

Fazit

Die Tøse Runde ist eine tolle Veranstaltung. Die Strecke ist, wie auf den Fotos zu sehen ist, für jeden machbar. Sie eignet auch sich super für Radfahrerinnen, die Jedermann-Rennen oder RTF in Deutschland zu aggresiv finden. Alle Radfahrerinnen, die ich dort erlebt habe, fuhren total defensiv. Autos, die überholen wollten, hupten nicht und warteten ruhig 15 Minuten bis sie tatsächlich überholen konnten. So entspannt bin ich lange nicht mehr gefahren. Wenn meine Gesundheit es zulässt, bin ich nächstes Jahr wieder dabei.